Freitag, 23. Januar 2009

Entschleunigen im Breisgau

Wenn neben Wasserflaschen plötzlich Kaffeetassen und Pils Bier auf dem Tisch stehen, wenn Studenten in Trainingshosen und Wollsocken in der Gegend rumlaufen, wenn während der Pausen zwischen Referaten gekickert und Tischtennis gespielt wird, dann ist klar was Sache ist: Blockseminar. Die Klassenfahrt der Uni. Das Ferienlager der Twens. Das Motto für drei Tage im Breisgau lautet Entschleunigung. Das sagt der Herbergsvater, das sagt der Dozent. Letzterer lässt eh noch manch interessante Weisheit fallen.

Bemerkenswerte und zitierbare Höhepunkte:
- Das ist wie die berühmte Frau ohne Unterleib.

- Der Müntefering sieht ja auch nicht aus, wie er wirklich ist. Stellen Sie sich vor, Sie öffnen eine Flasche Bier und Sie schmecken nur Spüli.

- Stellen Sie sich vor, Sie sind auf dem Bau und Ihnen fällt der sprichwörtliche Ziegelstein auf den Kopf. Dann gibt es jemanden, der Sie zum Beerdigungsinstitut fährt. Oder ins Krankenhaus oder wo Sie hin wollen. (Über den Sozialstaat)
Und so vergehen drei Tage wie im Fluge, entspannt, werden gerade mal 8 Referate gehalten (Entschleunigung!), gutes Essen aufgetischt (Schweinefilet!) und wenn wichtige Anlässe es erfordern (Handball, Amtseinführung von Obama) die Sitzung auch früher als geplant abgebrochen. Selbst im Breisgau stellt man dann auch endgültig fest, ja, der Herr Obama ist wirklich ein Heilsbringer. Die Situation: Der Bierautomat war geleert, die Küchenfrau machte uns wenig Hoffnung auf Pils Bier-Nachschub. Wir saßen nun als gemütlich und bierlos vor dem Fernsehgerät und sahen auf CNN den Aufmarsch der VIPs zu Obamas inauguration speech. Herr Clinton, Herr Bush, Frau Biden, Frau Obama, Herr Biden, alle kamen sie nach und nach durch die Tür auf den Balkon. Und dann ist es soweit. Herr Obama tritt aus der Tür, Applaus brandet auf, auch im Studienhaus Wiesneck, aber für den Herbergsvater, der zeitgleich mit dem neuen US-Präsidenten durch die Tür (nicht dieselbe) trat, in seiner Hand einen Kasten mit frischem Rothaus Pils Bier. Zufall? Niemals. Herr Obama persönlich hat dafür gesorgt, dass eine Gruppe Mainzer Politologen gemeinsam auf ihn anstoßen kann. Er konnte sich auf uns verlassen.

Aber nicht nur im Fernsehen war die Politik allgegenwärtig, auch in der Unterhaltungsliteratur. So fand sich im Fleet Foxes-Musikexpress-Interview folgender Absatz:
Überhaupt wirkt der Künstler überhaupt nicht großspurig, eher wie ein zauseliger, von Zweifeln angekränkelter Student der Politologie.
Damit nicht genug, legt die NEON, passend zum Seminar SPD und die Linkspartei, noch eine Schippe drauf:
Seit wir aus der Pubertät raus sind, können wir mit unseren Müttern und Vätern relativ offen sprechen. Wir sagen Ihnen, dass wir aus einer Laune heraus das Studium geschmissen haben, schwul sind oder "Die Linke" wählen.
Und wenn am letzten Abend der Dozent sein Nähkästchen auspackt und aus seiner Zeit in der Staatskanzlei plaudert, interessante Dinge über Ministerpräsidenten und öffentliche Feierlichkeiten, Dinge, die so nicht in die Öffentlichkeit gelangen und über die auch hier das Mäntelchen der Verschwiegenheit gelegt wird, dann kommt fast schon so etwas wie Melancholie auf. Dass am nächsten Tag die Heimreise naht, dass das Seminar schon rum ist. Jetzt, wo man sich kennt, wo man mit jedem mal angestoßen hat, wo wirklich so etwas wie eine Klassenatmosphäre herrscht. Aber zwei Dinge werden sich vorgenommen. Wir machen einen Stammtisch - und wir bleiben entschleunigt!

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