Donnerstag, 5. Februar 2009

Liebes Wohnzimmer,...

...ich weiß, ich habe dich im letzten Jahr nur wenig aufgesucht. Du warst mein erster Anlaufpunkt in dieser damals neuen Stadt. In dir fühlte ich mich gleich gut aufgehoben. Das schummrige Licht, die Tanzfläche im schwarz-weißen Schachbrettmuster, die roten Wände. Der alte Flipperautomat, den nie jemand benutzte, außer um seine Jacke darauf abzulegen. Punkrock, Alternative und Indie wummerte aus den Boxen in jeder deiner Ecken. An manchen Abenden war es so voll und heiß, dass der Schweiß von der Decke tropfte. Und jeder tanzte und lachte. Doch wie die Zeit so verstrich, wollten immer weniger Leute mit in dir abhängen. Die einen störte das Bier auf deinem klebrigen Boden, die anderen die Musik. Andere wollten lieber dorthin, wo das scheinbar wahre Leben tobte, wo eben alle hin sind, egal was lief, hauptsache man sah sich und wurde gesehen.

Liebes Wohnzimmer, was war das gestern wieder schön. Dabei war es eigentlich wie immer. Alles sieht noch so aus wie vor fünf Jahren. Da waren lauter bekannte Gesichter, das Bier in deinem Kühlschrank war wie immer gut gekühlt, die Musik fantastisch. Ich habe es dir nie übel genommen, dass du immer die Lichter angeschaltet hast, wenn der letzte Bus längst gefahren war und der erste Bus noch Stunden auf sich warten ließ. So wie gestern. Der mehr als halbstündige Heimweg an den S-Bahn-Schienen entlang, durch den Nebel, die Musik auf den Ohren, den Berg hinauf, den Tag und die Nacht im Kopf. Jetzt verlasse ich bald diese Stadt und werde dich noch seltener aufsuchen als in den letzten Monaten. Aber wenn ich wieder komme, dann kann ich mich auf dich verlassen. Du wirst da sein. Mit den bekannten Gesichtern, dem kühlen Bier und der guten Musik. Wie damals.

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